Die Forderungen der Desert Flower Foundation

Voraussetzung für ein gemeinsames und wirksames Vorgehen gegen FGM ist ein klarer Konsens. Das ist unser 10-Punkte-Forderungskatalog:

1. Klares Statement

Weibliche Genitalverstümmelung ist ein Verbrechen!
Die Vereinten Nationen, die Europäische Union und die Afrikanische Union sowie alle anderen internationalen Organisationen müssen eine solche Erklärung im Namen aller ihrer Mitgliedsstaaten verabschieden - und dafür sorgen, dass die Öffentlichkeit davon erfährt. Damit niemand mehr sagen kann, er/sie habe nicht gewusst, dass FGM ein Verbrechen ist.

2. Lückenlose Gesetze – strikte Anwendung

Weibliche Genitalverstümmelung ist in vielen Staaten verboten. Das Problem: Die Gesetze sind oft lückenhaft.
Deshalb:
a) FGM muss weltweit als ein Verbrechen eingestuft und genau definiert werden, sodass kein Zweifel mehr darüber bestehen kann, wann es sich um einen Fall von Genitalverstümmelung handelt.
b) FGM muss konsequent verfolgt werden - unabhängig von der Staatsbürgerschaft des Täters, unabhängig von der Staatsbürgerschaft des Opfers, unabhängig vom Ort des Verbrechens. Jede/r Täter/in muss unter allen Umständen für die Genitalverstümmelung eines Mädchens haftbar gemacht werden können.
c) Jeder Verdacht einer Genitalverstümmelung muss zwingend (!) eine strafrechtliche Ermittlung nach sich ziehen.
d) Die gynäkologische Untersuchung eines möglichen Opfers und ihrer Schwestern muss verpflichtender Bestandteil jeder Ermittlung sein – unabhängig vom Einverständnis der Eltern.

3. Wirksamer Kinderschutz

Was für die Gesetze zum Verbot von FGM gilt, trifft ebenso auf den Kinderschutz zu. Dieser greift, wenn es darum geht, eine drohende Genitalverstümmelung zu verhindern. Auch hierfür existieren in vielen Staaten entsprechende Regelungen – aber auch hier gibt es Lücken. Vor allem wenn Mädchen aus Migrantenfamilien in den Schulferien zur Genitalverstümmelung in ihre Herkunftsländer geschickt werden.
Die Eckpunkte eines wirksamen Kinderschutzes:
a) Ein frühzeitiges Eingreifen muss möglich sein – nicht erst, wenn "akute Gefahr" besteht.
b) Jeder Verdacht auf eine drohende Verstümmelung muss zwingend bestimmte Schritte nach sich ziehen, bis sichergestellt ist, dass die Gefahr langfristig gebannt ist.
c) Ein Richter muss eine gynäkologische Untersuchung des Mädchens und ihrer Schwestern sowie regelmäßige Nachkontrollen anordnen können – auch ohne das Einverständnis der Eltern.
d) Die Ausreise des Mädchens muss, wenn nötig, verboten werden.
e) Jeder Richter muss den Eltern zeitlich begrenzt das Sorgerecht entziehen und das Mädchen für eine bestimmte Zeit aus der Familie nehmen können.
f) Als allerletzte Maßnahme: Auch der endgültige Entzug des Sorgerechts muss möglich sein.

4. Uneingeschränkte Meldepflicht

Damit Kinderschutz und Verbote angewendet und Ermittlungen erfolgreich geführt werden können, müssen die Behörden von den einzelnen Fällen erfahren – was häufig ein Haupthindernis darstellt.
Deshalb:
a) Jede/r Bürger/in muss zwingend dazu verpflichtet sein, jeglichen Verdacht einer drohenden oder stattgefundenen Genitalverstümmelung den Behörden (Polizei, Justiz, Sozialbehörden) zu melden.
b) Das schließt jene Berufe mit ein, die besonders häufig mit möglichen Opfern weiblicher Genitalverstümmlung in Kontakt kommen: MedizinerInnen, KrankenpflegerInnen, Hebammen, SozialarbeiterInnen, etc. Ihnen kommt bei der Aufdeckung dieser Fälle eine besondere Bedeutung. zu, weshalb sie bei Missachtung der Meldepflicht haftbar gemacht werden sollten.
c) Die Schweigepflicht muss für die entsprechenden Berufe in diesem Falle aufgehoben sein.

5. FGM als Asylgrund – weltweit!

FGM ist ein Verbrechen, das sich gegen Frauen richtet, weil sie Frauen sind. Wer sich gegen die Praktik sträubt, wird unter Druck gesetzt, bedroht, verfolgt. Manchmal bis in das Land, in das sie eingewandert ist. FGM ist politische Verfolgung. Sie muss als solche anerkannt werden. Wer es schafft, vor dieser Praktik zu fliehen, hat das Recht auf Schutz. Es muss endlich das passieren, was zahlreiche Politikerinnen, Frauenrechtlerinnen und Nichtregierungsorganisationen seit Jahren fordern: Weibliche Genitalverstümmelung muss explizit als Asylgrund anerkannt werden!

6. Flächendeckende Schulungen

Jeder, der beruflich mit FGM konfrontiert werden könnte, muss genau über diese Praktik Bescheid wissen. Das gilt nicht nur für MedizinerInnen, PsychologInnen, KrankenpflegerInnen, Hebammen und SozialarbeiterInnen, sondern auch für Vertreter der staatlichen Behörden: PolizistInnen, RichterInnen, StaatsanwältInnen.
Nur wer genau weiß, was weibliche Genitalverstümmelung ist, wo und wie sie durchgeführt wird und aus welchen Gründen, kann die richtigen Fragen stellen und beurteilen, welche Aussagen der Wahrheit entsprechen und welche nicht. Eine Mutter, die beispielsweise vor Gericht erzählt, das Kind habe bei der Verstümmelung nicht geweint, lügt – ein Richter, der nichts über die Praktik weiß, kann diese Aussage schlecht einschätzen.
FGM muss daher fixer Bestandteil aller Ausbildungen und Studiengänge für Berufe sein, die mit der Praktik zu tun haben könnten. Wo das nicht möglich oder sinnvoll ist, müssen entsprechende Schulungen diese Lücke schließen. Auch regelmäßige Nachschulungen sind notwendig. Gemeinsame Schulungen können gegenseitige Berührungsängste abbauen und die Kooperation entscheidend verbessern.

7. Gezielte Präventionsarbeit

Es müssen genügend staatliche Mittel zur Verfügung gestellt werden, um wirksame Präventionsarbeit leisten zu können.
Diese umfasst:
a) Allgemeine Aufklärungskampagnen durch Fernsehspots, Anzeigen und Plakataktionen, um auf das Thema aufmerksam zu machen und über die Gesetzeslage und Handlungsmöglichkeiten zu informieren.
b) Spezielle Aufklärungskampagnen in Flüchtlingsheimen, Schulen, Kindergärten und bei der Sozialarbeit.
c) Gezielte Aufklärung in Arztpraxen und Krankenhäusern.
d) Bei der Visa-Vergabe in Konsulaten in den Herkunftsländern: Präzise Informationen über die hiesige Gesetzeslage zu FGM und die Haltung der Weltgemeinschaft zu diesem Problem – vor allem für neu ankommende EinwandererInnen, aber auch für Reisegäste, um möglichst viele Menschen damit zu konfrontieren.
e) Regelmäßige verpflichtende Schuluntersuchungen aller (!) Mädchen.
f) Schutz und angemessene Betreuung möglicher Opfer und ihrer Angehörigen. Das heißt beispielsweise, anonyme Wohnungen und Verpflegung für Frauen bereitzustellen, die aus ihren Familien fliehen, um ihre Töchter vor einer Genitalverstümmelung zu bewahren.

8. Dialog mit den Herkunftsländern

Die Weltgemeinschaft muss den Regierungen der Herkunftsländer klar ihre Position zu FGM mitteilen und deutlich machen, dass dieses Verbrechen nicht geduldet wird.
In einigen afrikanischen Staaten gibt es Regierungsinitiativen, weibliche Genitalverstümmelung gesetzlich zu verbieten. Diese Regierungen müssen in ihrem Vorhaben unterstützt werden, ebenso jene, die FGM schon verboten haben und sich nun um die Umsetzung dieser Gesetze bemühen.

9. Mehr Forschung über FGM

Wenn man mittlerweile auch relativ viel über weibliche Genitalverstümmelung weiß – es besteht noch ein enormer Forschungsbedarf. Bisherige Strategien im Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung beruhen häufig noch auf losen Annahmen oder sogenannten Erfahrungswerten, ohne jemals genau überprüft worden zu sein. Die Forschung über FGM muss daher durch staatliche Mittel entsprechend gefördert und intensiviert werden.
Zu den offenen Fragen zählen:
a) genaue Zahlen der Opfer in den einzelnen Staaten – zahlreiche vorhandene Daten beruhen lediglich auf groben Schätzungen und ungenauen Hochrechnungen.
b) Faktoren, die zur Ablehnung bzw. Aufrechterhaltung dieser Praktik im Einwanderungsland beitragen – bei der ersten im Unterschied zur zweiten oder dritten Einwanderergeneration.
c) Wirksamkeit der einzelnen Strategien (Kampagnen, aufklärende Sozialarbeit, Prozesse/Strafen) im Kampf gegen FGM – sie sollten systematisch ausgewertet werden, um die wirksamste Vorgehensweise festzustellen.
d) Medizinische Möglichkeiten zur Wiederherstellung der Klitoris. Die Methode von Dr. Pierre Foldès bietet dabei einen vielversprechenden Ansatz.

10. Kostenlose Rückoperationen

Jede Frau, die es möchte, soll kostenlos eine Rückoperation vornehmen dürfen. Das gilt sowohl für eine Auftrennung der Naht im Falle einer kompletten Entfernung der inneren und äußeren Schamlippen (Infibulation) als auch - wenn gewünscht - für eine rekonstruierende Operation. Bei der rekonstruierenden Operation wird die Klitoris zumindest teilweise wieder hergestellt, auch die sexuellen Empfindungen kehren in 80 Prozent der Fälle wieder zurück. Die Krankenkassen in allen europäischen Ländern müssen diese Operationen offiziell anerkennen und die Gesamtkosten übernehmen.